Ich kann’s nicht glauben – in ein paar Tagen starte ich wieder nach New York, unter anderem um mit der Kamera durch die Stadt zu schlendern. Aber wie fotografiert man eine Stadt die schon so oft fotografiert wurde?
Ich sitze noch daheim in einem Cafe und habe zwei Reiseführer vor mir liegen, eine Mindmap auf dem iPad und einen Haufen Post-It’s neben mir. Jetzt wird es langsam ernst, langsam sollte ich wissen wo ich hin – und was ich dort machen oder fotografieren will. Orte, die ich besuchen will, Museen, Leute, die ich treffen will usw. Dann merke ich, dass ich meine Lesebrille nicht eingepackt habe und überhaupt – noch viel zu müde bin um Pläne zu schmieden. Ausserdem erscheint mir eine Mindmap auf einmal so kompliziert, jedesmal auf das iPhone glotzen wenn ich etwas notieren oder nachschlagen will, das geht mir jetzt schon auf die Nerven. Und wenn ich eine Idee, eine Info suchen will, muss mich schon wieder mit einem Computer rumschlagen (statt mit der realen Welt um mich herum), nein ehrlich, darauf habe ich keinen Bock.
In diesem Moment fälle ich eine Entscheidung: Nein, ich muss nicht jetzt schon wissen, was die St. Patrick’s-Cathedral besonders macht und welche Rolle sie im Bürgerkrieg gespielt hat, und nein, ich brauche keinen Plan; ob ich vom Chinatown weiter nach Soho oder Little Italy gehen will – das muss ich jetzt nicht entscheiden. Ich brauche überhaupt keinen Plan, nicht mal eine Idee, was ich fotografieren möchte. Auch wenn ich überzeugt bin, dass wir nur sehen, was wir wissen – und ich nicht wie ein Dummkopf durch New York stolpern will – bin ich mir jetzt nicht mehr sicher, ob ich nicht viel mehr sehen und erleben werde, wenn ich unvorbereitet los fahre. Was passiert wenn ich irgendwann einfach auf der Brooklyn Bridge stehe und schaue was sich mir in den Weg wirft? Einen Café trinken und dann weiter sehen. Den Reiseführer kann ich auch dort noch lesen. Falls überhaupt.
Wie fotografiert man eine Stadt wie New York? Was beschäftigt die Menschen dort? Wie leben – und an was glauben sie?
Ich weiss nicht wie ‘man’ eine Stadt wie New York fotografiert. Ich denke das hängt von deinem Blickwinkel ab. Ein Freund von mir ist Architekt. Rate mal, was er auf seiner Speicherkarte mit nach Hause gebracht hat? Ich muss gestehen, mir wären die jeweiligen Gebäude nicht mal aufgefallen. Er kannte natürlich den Architekten, die Entstehungsgeschichte, die Idee seines Entwurfs, die Technologie, all das was ein aussergewöhnliches Gebäude ausmacht. Und ich kann sagen, dass mir seine Bilder gefallen haben. Was ich auf einmal alles gesehen habe, als ich wusste dass die Fassade vom 8 Spruce Street von Frank Gehry (auch bekannt als ‘Beekman Tower‘) aus Aluminium ist und gesehen habe wie sie sich in der Fassade des Nebengebäudes gespiegelt hat – fand ich das reizvoll.
Aber was interessiert mich an New York? Ich denke es sind die Menschen. Und eher nicht die Celebrities, sondern die normalen Leute. Diejenigen, die hier her gekommen sind und es nicht mehr weg geschafft haben. In irgendeiner Form trifft das auf alle Leute zu die heute in New York leben, denn Indianer habe ich hier noch keine gesehen. Wie sieht die Wirklichkeit der New Yorker aus? Natürlich sind Verallgemeinerungen immer problematisch. Aber es geht ja nicht darum, alle über einen Kamm zu scheren. Vielmehr sind es doch die unterschiedlichen Bezugsrahmen und Parallel-Welten, die das Leben interessant machen. Und vielseitiger als hier könnten sie kaum sein. Eins scheint klarer als je zu sein: es wird keine einfachen Antworten geben. Und wenn es überhaupt welche gibt, dann muss ich sie mir schon selbst geben.