Was ist ein gutes Portraitfoto?

Im Interview mit Kristoff Meller, Oberbadische Zeitung:
“Zeugnis einer Begegnung”, 12. Oktober 2021

Quelle: Verlagshaus Jaumann | zum Original-Artikel

Interview: Kristoff Meller
Fotos: Martin Frick

Der Lörracher Fotograf Martin Frick bringt Ende des Monats sein erstes Buch „Starke Porträts: Kreativität, Bildaussage und Storytelling in der Peoplefotografie“ auf den Markt. Kristoff Meller hat ihm im Vorfeld einige Fragen gestellt.

Herr Frick, wie würden Sie die Zielgruppe Ihres Werks beschreiben, und warum sollte ich das Buch als Fotograf kaufen?

Was mich an der Fotografie fasziniert, ist, dass jeder seinen eigenen Zugang zu diesem Medium, sein eigenes Thema und seine eigene Bildsprache finden kann. Trotzdem befasst sich die Mehrheit aller Fotografie-Bücher mit der Technik und damit, wie ich ein technisch gutes Bild mache. Das finde ich langweilig und frustrierend. In meinem Verständnis ist ein Fotograf jemand, der seinen Blick auf die Welt mit mir teilt. Wenn ich eine Fotografie anschaue, möchte ich nachempfinden können, welche Art der Beziehung der Fotograf zum Motiv hat, und was er mit dem Bild aussagen möchte. Ich möchte überrascht werden mit einer Sichtweise, die meine eigene herausfordert oder sogar auf den Kopf stellt.

In meinem Buch versuche ich, dafür zu sensibilisieren und zu ermutigen, der eigenen inneren Stimme zu folgen und herauszufinden, welche Herangehensweise mir selbst entspricht. Dafür habe ich ein Konzept und ein methodisches Vorgehen entwickelt, das meine Porträts Schritt für Schritt ausdrucksstärker machen kann. Deshalb glaube ich, dass es ein Buch für alle Fotografen ist, die sich für Menschen interessieren.


Für sein Buch führte Frick auch ein Interview mit dem bekannten Fotojournalisten Kai Pfaffenbach.

Was ist Ihrer Meinung nach besonders wichtig für ein gutes Porträtfoto?

Ich persönlich fasse den Begriff „Porträt“ sehr weit. In meinem Verständnis ist ein Porträt ein Foto, das mir etwas über ein Individuum erzählt, und darüber, was diese Person möglicherweise denkt und fühlt, wie sie zu dem Mensch wurde, der sie ist, ihre Werte und was sie vom Leben erwartet. Das ist natürlich sehr oft spekulativ und liegt häufig im Auge des Betrachters. Aber auch das ist eine Qualität eines Porträts – manchmal zeichnet sich ein Porträt dadurch aus, dass es den Betrachter mit Fragen zurücklässt und zu Fantasien anregt.

Für mich persönlich muss nicht einmal der Mensch selbst abgebildet sein, auch das Atelier oder Werkzeug eines Künstlers oder Handwerkers, eine Hand, zeigt etwas Persönliches und Intimes und lässt mich erahnen, wofür dieser Mensch lebt und an was er arbeitet. Es sind diese beiden Aspekte, die mir für ein Porträt wichtig erscheinen: Zeigt es etwas für diesen Menschen Charakteristisches und berührt es mich emotional?

Unter den Porträtierten sind natürlich auch mehrere Lörracher zu finden wie Daniel Mascher…

Was muss man als Fotograf in der heutigen Zeit von Instagram und Co. tun, um nicht in der digitalen Bilderflut unterzugehen?

Die gute Nachricht ist, dass Fotografie durch Smartphones, Instagram und Co so populär geworden ist. Die schlechte Nachricht ist, dass wir eine Reizüberflutung und einen Wettbewerb um Aufmerksamkeit haben. Eine Möglichkeit ist es, am Wettkampf um Schönheitsideale teilzunehmen und immer mehr Fake-Lifestyle-Content zu produzieren, eine andere Möglichkeit ist es, nach Themen Ausschau zu halten, die nicht so mainstreamig, aber gesellschaftlich relevant sind.

Als Soziologe interessiere ich mich genau dafür: Wie gehen Menschen damit um, dass heute potenziell jeder so sein kann wie er möchte, aber dadurch die Gesellschaft gleichzeitig einen subtilen Druck erzeugt, besonderes sein zu sollen? Wie leben Menschen in einer Gesellschaft, die dafür keinen Spielraum lässt – etwa während meiner Reisen. Diesen Fragen nach unserer Identität und wie sie sich verändert, möchte ich in meiner Fotografie nachgehen. Und ich glaube, dass wir uns immer dafür interessieren werden, wer wir sind und wie andere Menschen leben.

… und Andi Schupp.

Viele Menschen finden es unangenehm, einzeln und in Großaufnahme fotografiert zu werden, wie nehmen Sie ihnen die Angst und sorgen für eine entspannte Atmosphäre?

Viele Fotografen, die wenig Erfahrung mit Menschen vor der Kamera haben, glauben es müsste so eine Art Rezept geben. Ich glaube nicht, dass solche Tricks funktionieren. Das Tolle am Porträtieren von Menschen ist ja, dass so eine Art intime Begegnung geschieht, so ein Moment, in dem wir beide, Fotograf wie Protagonist, verletzlich werden. Alles hängt davon ab, sich selbst anzunehmen, und zu sich selbst zu sagen: Ich bin ok wie ich bin, mit allem, was dazu gehört. Wenn ich glücklich, unzufrieden oder nervös bin, sage ich das auch. Entgegen meiner Befürchtung führt das nicht zu Unsicherheit, sondern dazu, dass sich auch mein Gegenüber öffnet und anfängt mir zu vertrauen.

Ich halte nichts hinterm Berg und lasse mich genauso offen auf die Begegnung ein, wie ich es mir von meinem Model wünsche. Ein Porträt wird zum Zeugnis dieser Begegnung, ich beziehe mein Model in alle Entscheidungen mit ein, auch wenn es um ein spontanes Porträt eines Fremden auf der Straße geht. Aber da gibt es kein Dogma, so arbeite ich, weil ich mich damit wohl fühle, andere Fotografen gehen es anders an, und das ist gut so. Mehr dazu erfährt man übrigens in meinem Buch.

Weitere Informationen
Das Buch mit 256 Seiten erscheint am 31. Oktober als gebundene Ausgabe im dpunkt Verlag (ISBN-10: ‎ 3864908574).

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